5 Rettungsmöglichkeiten

Gespeichert von admin am Do., 01.10.2015 - 01:23

Liebe Frau NN,

liebe Angehörigen und Freunde

der Verstorbenen NN

Wenn ein Mensch gestorben ist, zu dem wir näheren und engeren Kontakt hatten, dann bleibt oft das Gefühl tiefer Verunsicherung, Angst, Hilflosigkeit und absoluter Orientierungslosigkeit in uns zurück.

Deshalb lassen Sie uns gemeinsam einige wenige Augenblicke darüber nachdenken, wie wir aus diesem unglücklichen Zustand mit eigener Kraft wieder herausfinden können.

1. Der sichere Ort:

Als erstes brauchen wir einen sicheren Ort. Dieser geistig-psychische Ort ist durch den Tod des Verstorbenen erschüttert und aller seiner Sicherheit beraubt.

Bevor wir irgend etwas weiteres unternehmen können, müssen wir wieder festen Grund unter unseren Füßen haben.

Nun haben die Menschen an der Küste den großen Vorteil, dass sie direkt am Meer wohnen. Wie bekommt man mitten in der Nordsee – der Ostsee - festen Grund unter den Füßen?

Indem man sich diesen festen Grund selber zimmert.

Die Leute am Rheingraben und in Thüringen haben es etwas schwerer; denn sie glauben, dass sie in ihrer Gegend festen Grund unter den Füßen haben. Aber die gelegentlichen Erdstöße, an die sie sich gewöhnt haben, zeigen ihnen, dass der Grund so fest auch nicht ist.

Wir wissen, unser Leben hat den Sinn, den wir ihm geben. Der feste Grund unter unseren Füßen ist so fest, so fest wie wir ihn bauen.

Ein Weisheitstext erklärt uns:

Unbesorgt sind, die ihrem SELBST vertrauen, denn es enttäuscht sie nie.

Den festen Grund für unser zukünftiges Leben können wir nur in uns selbst finden. Der Tod des Verstorbenen hat Ihnen Ihre lieb gewordene Stütze weggenommen. Vertrauen Sie Ihrem SELBST als Ihrem festen Grund unter Ihren Füßen.

2. Verbundenheit mit anderen Menschen:

Wir verdanken unser Leben der Verbundenheit unseres Vaters mit unserer Mutter und umgekehrt. Leben entsteht aus der Verbindung von zwei Menschen.

Und Leben kann nur in der Verbindung mit andern Menschen weiterhin existieren. Erst der Tod ist eine Sache, die uns ganz alleine etwas angeht. Deshalb sterben sehr viele Menschen gerade in dem Augenblick, wenn sie mal für eine Minute alleine im Zimmer sind.

Wenn wir uns für das Leben entschieden haben, also leben wollen, einen festen Grund unter unseren Füßen gezimmert haben, dann beinhaltet das, dass wir auch zu anderen Menschen ja sagen. Wir suchen und arbeiten an der Verbindung zu anderen Menschen und sichern die Verbundenheit mit ihnen ab.

Wir brauchen andere Menschen und andere Menschen brauchen uns. Nur so kann Leben funktionieren. Niemand ist eine Insel. Niemand kann alleine existieren.

3. Eine neue Orientierung annehmen:

Wenn uns der geliebte Partner weggestorben ist, bleibt bei uns oft ein Gefühl von Minderwertigkeit zurück.

Unser Lebenskonzept, in dem der verstorbene Mensch eine wichtige Rolle gespielt hat, ist zerstört. Wir können nicht weitermachen wie bisher.

Wir haben das Gefühl, wir selbst sind auch zerstört. Und es ist ja auch richtig so, dass ganz viel von dem, was wir gewollt, geplant und für die Zukunft vorgesehen haben nun nicht mehr möglich ist.

Das bedeutet aber nicht, dass wir nun gar nichts mehr sind. Wir sind gemindert durch den Verlust des geliebten Menschen, aber diese Minderung, dieses Wegsein von etwas, hat uns die Hände frei gemacht für andere Dinge.

Diese „anderen Dinge“ sind Gegenstand und Inhalt einer neuen Orientierung, die wir uns suchen und dann auch annehmen müssen.

4. Eine „Meta-Ebene“ für sich selbst finden:

Wenn wir lernen uns selbst aus einer gewissen Distanz zu betrachten, dann können wir vergleichen. Dann merken wir, dass es anderen teilweise viel schlimmer gegangen ist als uns selbst.

In früheren Schlachten befand sich der Feldherr auf dem „Feldherrenhügel“. Er musste den Überblick behalten. Er musste alles sehen. Er durfte sich selbst nicht im Kampfgetümmel verlieren.

Die Meta-Ebene ist dieser innere Feldherrenhügel, der uns manchmal sagt: „Jetzt kommt wieder ein trauriger, schwermütiger und vielleicht auch depressiver Schub und nachher wird es wieder leichter sein.“

Wenn wir das erkennen können, dann wissen wir, dass ein Schub nicht ewig dauert und hinterher wieder eine andere Zeit kommt. Deshalb können wir diesen Schub besser ertragen, weil unsere Hoffnung auf eine bessere Zeit realistisch ist.

Daraus lernen wir, dass wir diesen traurigen Schub nicht mehr so wichtig nehmen, dass er uns zerbrechen kann. Wir haben eine übergeordnete Ebene erreicht und damit können wir den depressiven Schub relativieren.

5. An die eigene Kompetenz glauben:

Wenn man längere Zeit mit einem geliebten Menschen zusammen gelebt hat, verteilen sich die Aufgaben des Lebens auf beide Partner. Jeder übernimmt das, was er gut kann und wozu er Lust hat.

Dadurch wird der andere Partner entlastet und verlernt auch in gewisser Weise die Fähigkeiten, die er zwar kann, aber selbst nicht mehr ausübt.

Wenn nun der Partner gestorben ist, schleicht sich oft die Angst ein, werde ich das, was der andere übernommen hat, auch zusätzlich noch können?

Diese Angst ist um so größer, je mehr der zurückbleibende Partner durch den anderen verwöhnt worden ist.

Hier müssen wir lernen an die eigene Kompetenz zu glauben. Wir schaffen es. Wir haben die Kraft und die Fähigkeit dazu.

Und schließlich ist die Fürsorge und Hilfe des verstorbenen Menschen niemals dazu gedacht, uns zu schwächen und lebensunfähig zu machen, sondern um uns zu fördern und stark zu machen.

Der Glaube an die eigenen Kompetenz ist schließlich auch ein Dankeschön für alle Fürsorge, die wir empfangen haben und der nachträgliche Beweis, dass sich der verstorbene Mensch in seiner Liebe zu uns nicht geirrt hat.

Fünf Schritte, kleine Schritte – sie alle bringen uns den geliebten Menschen nicht zurück, aber sie helfen uns sein Werk in uns fortzusetzen.

Nachdem wir über uns geredet haben, wollen wir nun über den Verstorbenen reden.

(Es folgt der Lebenslauf des Verstorbenen mit den biografischen Daten (dem Gedächtnis) gemischt mit den Erinnerungen (den subjektiven Einfärbungen).

Abschied

Wir haben darüber nachgedacht, wie das Leben ohne den Verstorbenen sinnvoll weitergehen kann.

Wir haben im Blick zurück die Schätze, Werkzeuge und Materialien angeschaut, welche der Verstorbene für Sie als Hinterbliebene durch seinen eigenen Lebensweg vorbereitet und hinterlassen hat. Mit gutem Recht kann er erwarten, dass Sie das Beste daraus machen.

Jetzt müssen wir Abschied  nehmen. Die gebräuchliche universale Formel in den Trauerfeiern heißt dazu so oder ähnlich:

Wir sind nun aufgefordert unseren Frieden mit dem Leben und Tod des Verstorbenen zu machen.

Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Während Sie das bei sich selbst bedenken und beschließen, werde ich dem Verstorbenen einen Text aus den Gedichten von Hermann Hesse widmen:

Welkes Blatt

Jede Blüte will zur Frucht,
jeder Morgen Abend werden.

Ewiges ist nicht auf Erden,
als der Wandel, als die Flucht.

Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte Blatt geduldig still,
wenn der Wind dich will entführen.

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
lass es still geschehen.
Lass vom Winde, der dich bricht,
dich nach Hause wehen.

Nachdem wir unseren letzten gemeinsamen Weg mit dem Verstorbenen gegangen sind, betten wir nun

NN, geboren am XXX und gestorben am XXX zu seiner letzten Ruhe.

Wir wollen nicht klagen, weil wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir ihn - unter uns hatten.

Wir wollen ihn nun mit Blumen und Erde zudecken, damit niemand seine Ruhe stört.

Ruhe in Frieden

© Uwe Peters

Trauerreden