Name | Temps | ||
Vorname | Hannelore | ||
Geboren | Himme | ||
Geboren | 20.10.1949 | ||
Gestorben | 16.05.2005 | ||
Ort | Schiffdorf | ||
Friedhof | Schiffdorf | ||
Datum | 20.05.2005 | ||
Redner | FREIER REDNER: Uwe Peters | ||
Bestatter | Bestattungsinstitut Koop | ||
Homepage |
Liebe Angehörigen und Freunde der verstorbenen
Hannelore Temps
Ich danke Euch allen, dass Ihr zu dieser Abschiedsfeier gekommen seid.
Diese Abschiedsfeier wird anders sein, als wir das gewohnt sind. Deshalb rede ich Euch alle mit „Du“ an, erlaubt mir das für dieses eine Mal, denn ich brauche hier und jetzt Eure Nähe.
Weiterhin müsst Ihr mir erlauben, dass ich hier vorne stehe und auch weine; denn in mir kämpfen drei Strebungen miteinander:
- Es ist einerseits die mir sonst völlig unbekannte Eifersucht, an meinen Liebling niemand anderes heran zu lassen und diesen Abschied für sie selbst zu gestalten und die Rede für sie selbst zu halten,
- und andererseits ihr unangesprochener Wunsch, dass ich es für sie tue. Es gab für sie nur einem Prediger, dem sie wirklich zuhörte, und das war ich.
- Und schließlich ist die Sehnsucht nach ihr übermächtig.
{gallery}hanneloretemps{/gallery}
Teil 1: Hilfe für die Hinterbliebenen
In meinem Reden ist der erste Teil immer die Hilfe für die Hinterbliebenen. Und so soll es heute auch bleiben; denn das, was ich anderen anbiete, gilt genau so für mich - und vielleicht uns allen.
Hannelore und ich waren uns völlig einig, dass alles, was wir denken und tun, dem Leben helfen soll und muss. Deshalb ist es in ihrem Sinne, wenn wir uns zuerst uns selbst und dem weitergehenden Leben zuwenden.
Der Philosoph Friedrich Nietzsche betreibt das Abschiednehmen auf eine Weise, die uns vielleicht hilfreich sein kann, die aber auch sehr genau auf meine und unsere Familiensituation zutrifft.
Das Grablied
Dort ist die Gräberinsel, die schweigsame; dort sind auch die Gräber meiner Jugend. Dahin will ich einen immergrünen Kranz des Lebens tragen. Also im Herzen beschließend fuhr ich über das Meer.
Oh ihr, meiner Jugend Gesichte und Erscheinungen! Oh ihr Blicke der Liebe alle, ihr göttlichen Augenblicke! Wie starbt ihr mir so schnell! Ich gedenke eurer heute wie meiner Toten.
Von euch her, meinen liebsten Toten, kommt mir ein süßer Geruch, ein herz - und tränenlösender. Wahrlich, er erschüttert und löst das Herz dem einsam schiffenden.
Immer noch bin ich der Reichste und Bestzubeneidende - ich, der Einsamste! Denn ich hatte euch doch, und ihr habt mich noch:
Sagt, wem fielen, wie mir, solche Rosenäpfel vom Baume?
Immer noch bin ich eurer Liebe Erbe und Erdreich, blühend zu eurem Gedächtnisse von bunten wildwachsenden Tugenden, oh ihr Geliebtesten!
Ach, wir waren gemacht, einander nahe zu bleiben, ihr holden fremden Wunder; und nicht schüchternen Vögeln gleich kamt ihr zu mir und meiner Begierde - nein, als Trauender zu dem Trauenden!
... Ungeredet und unerlöst blieb mir die höchste Hoffnung! Und es starben mir alle Gesichte und Tröstungen meiner Jugend!
Wie ertrug ich`s nur? Wie verwand und überwand ich solche Wunden? Wie erstand meine Seele wieder aus den Gräbern?
Ja, ein Unverwundbares, Unbegrabbares ist an mir, ein Felsensprengendes: das heißt mein Wille. Schweigsam schreitet es und unverändert
durch die Jahre. Seinen Gang will er gehen auf meinen Füßen, mein alter Wille; herzenshart ist ihm der Sinn und unverwundbar.
Immer noch lebst du da und bist dir gleich, Geduldigster! Immer noch brachst du dich durch alle Gräber! In dir lebt auch noch das Unerlöste meiner Jugend; und als Leben und als Jugend sitzest du hoffend hier auf gelben Grab-Trümmern.
Ja, noch bist du mir aller Gräber Zertrümmerer: Heil dir, mein Wille! Und nur wo Gräber sind, gibt es Auferstehung. -
Also sprach Zarathustra.
- Nietzsche trauert um seine Toten. Seine Toten sind das, was ihm wirklich etwas bedeutete.
Völlig unabhängig von diesem Verlust hat jeder von uns hier im Saal seine eigene Gräberinsel. Diese Gräberinsel ist ein Bestandteil unseres Lebens. Ein Leben ohne solche Gräberinsel kann es nicht geben.
Hier gibt es eine Solidarität der Menschen untereinander. Eure und meine Verluste relativieren sich. Ich weiß das, und mir hilft das auch; denn Ihr habt Eure Verluste überwinden können, so werde ich auch meinen Verlust überwinden.
Nein, die Kluft ist nicht so groß, zwischen Euren und unseren Verlusten. In der Gemeinschaft des Leidens finden wir zueinander.
- Weiterhin spricht er davon, dass er seiner Toten liebevoll gedenkt. Dieses liebevolle Gedenken schafft aber in ihm nicht größere Verzweiflung, Leere und Depression, sondern Dankbarkeit.
Die Erinnerungen an Hannelore empfinde ich wie eine Geburt. Sie sind unglaublich schmerzhaft und dennoch ist in ihnen eine gewaltige Kraft. Diese Erlebnisse mit Hannelore sind die Saat, die teilweise schon aufgegangen ist und teilweise noch aufgehen wird.
Ich bekenne mich zu Hannelore, sie war mein Liebling, mein „Lorchen“ und mein Schatz.
Für Euch war sie vielleicht ein wertvoller Mensch mit guten und weniger guten Eigenschaften. Ein Mensch, mit dem es sich lohnte, mehr oder weniger Kontakt zu behalten.
Für mich war sie die Sonne meines Lebens.
Wenn ich diesen Nietzsche Text benutze für andere Trauerfeiern, dann kommt an dieser Stelle oft der Hinweis, der so lautet:
- Dieser Text bietet Ihnen eine Hilfe an, und die liegt darin, dass er eine ganz geringfügige Schwerpunktverschiebung macht.
Nietzsche legt den Schwerpunkt nicht so sehr auf den Verlust, sondern auf den Wert dessen, was er einmal erlebt hatte.
Erlebnisse können nicht sterben. Sie können vergessen werden, das liegt in Ihrer Hand, aber niemals sterben. Das ist eine Bewusstseinsleistung. Das können Sie selbst steuern. Ihre Erlebnisse brauchen Sie niemals herzugeben.
Die Bedeutungshoheit ist jedem Menschen als angeborene Freiheit mit auf den Lebensweg gegebenworden. In den Geisteswissenschaften spricht man von der „genetisch angelegten hermeneutischen Autonomie“. Plattdeutsch heißt das allgemeinverständlich “Watt den een sien Uhl is denn annern sien Nachtigall!“
Aber oftmals muss man die Sachverhalte neu formulieren, damit sie wieder ihre angemessene Wichtigkeit zurückgewinnen.
- Indem Nietzsche eine Umdeutung vollzieht, weg von dem Verlust, hin zu Erinnerung und Dankbarkeit verwandelt er den Verlust seiner Toten - und den Schmerz um diesen Verlust - zum Grund für Dankbarkeit und einem positiven Lebensgefühl.
Jetzt halte ich mir selbst diese Predigt.
Hannelore und ich habe oft darüber gesprochen, dass uns niemand unsere Bedeutungshoheit abnehmen kann. Und in den täglichen freundlichen und ärgerlichen Erlebnissen haben wir genau dieses Thema immer wieder behandelt und praktiziert. Dabei sind wir souverän geworden und unabhängig.
Wir haben nach Friedemann Schulz von Thun vier Möglichkeiten, eine Botschaft einzustufen. Das ist unsere Freiheit und Souveränität. Das ist unser Sieg über den Tod.
Wir haben in den freundlichen Erlebnissen das Gegenteil gesucht und gefunden und wir haben in den ärgerlichen und schmerzlichen Erlebnissen das Licht und die Freundlichkeit gefunden.
Diese Freiheit gilt auch an ihrem Sarg und überwindet ihren Tod, denn darüber waren wir uns immer einig, dass
Leben immer Vorrang haben muss!,
und wir die Dinge so zu deuten haben, dass der Vorrang des Lebens sich immer und überall durchsetzen kann.
Musik: Dat du min Leevste büst...
Teil 2: Würdigung der Verstorbenen
Wir wollen nun gemeinsam das Leben der Verstorbenen würdigen. Dabei muss klar sein, dass wir die Fülle ihres Lebens nicht ausschöpfen können und ganz viel ungesagt bleiben muss.
Außerdem bin ich als Ihr Ehemann sehr befangen und sehe die Dinge aus meiner sehr subjektiven Sicht. Aber vielleicht kann uns das auch etwas helfen.
Die einmalige und unwiederholbare Geschichte meiner Hannelore begann am 20.10.1949 in Bremerhaven im Krankenhaus. An diesem längst vergangenen Tag tat dort
Hannelore Auguste Himme
ihren ersten dünnen und schwachen Schrei.
Als winzig kleine Frühgeburt verbrachte sie ihre ersten Tage im Brutkasten.
Ihre beiden alt gewordenen Eltern Ilse und Günter Himme trauern um ihr einziges Kind.
In der Innstraße wuchs sie auf in den sehr beengten Verhältnissen des Siedlungshauses, welches ich auch noch kennen lernen konnte.
Die Großmutter wohnte unten und versorgte die „kleine freche Himme“, so wurde sie in der Straße genannt und in späteren Jahre zog auch ihre Cousine Margrit zu ihnen. Margrit war das liebe nette kleine Mädchen, welches auch für die Nachbarschaft gerne dies oder jene Besorgung machte.
Vater und Mutter konnten unter diesem Unständen arbeiten und für den wirtschaftlichen Aufbau der kleinen Familie sorgen.
Eine ganz wesentliche Rolle in ihrer Kindheit spielte die auch verstorbene Christa Wulf. Wenn Mutter Ilse zur Arbeit war, ging sie oft rüber zu Christa Wulf. Sie blieb ihre Beichtmutter und Vertraute bis weit in ihre Ehezeit hinein.
Gegen Ende ihrer Schulzeit zog die Familie um in das neugebaute Siedlungshaus an der Altmühlstraße.
Nach ihrer Schulzeit machte sie eine Ausbildung zur Arzthelferin bei Dr. med. Steinberg. Als diese plötzlich starb, beendete sie ihre Ausbildung bei Dr. med. Ritter in der Tiroler Straße.
Von dort ging sie zu Dr. med. J. Götze, dem Facharzt für Chirurgie und Orthopädie. Er war Durchgangsarzt und hatte deshalb viele Erstversorgungen durchzuführen. Es war eine aufregende und sehr anstrengende Zeit für sie, bei der sie unendlich viel gelernt hat. Ihre Hilfe bei chirurgischen Arbeiten waren so erstaunlich, dass Dr. Krenz mir diesem Punkt in unserem Gespräch besonders hervor hob.
Zum 01.01.1971 begann sie ihre Tätigkeit als Arzthelferin bei Dr. med. G. Kienzler in Darmstadt. Er war Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin.
Doch Ende des Jahres war sie wieder zurück in Bremerhaven.
Dr. med. Günter Krenz erzählte mir die Sache sehr genau: Er hatte in Schiffdorf seine Praxis eröffnet und arbeitete mit seiner Ehefrau, mit der Arzthelferin Helga von Heimburg und dem Lehrling Elke – jetzt verheiratete Hill - in der Praxis alleine.
Weil die Praxis neu eröffnet war, hatte er der Arzthelferin und dem Lehrling Urlaub gegeben, und wollte das mit seine Ehefrau alleine bewältigen.
Anfang November 1971 saß da ganz plötzlich eine junge und sehr zierliche Person im weißen Kittel in der Anmeldung. Durch ihre Freundin Helga von Heimburg hatte die Kleine erfahren, dass die Praxis im Aufbau war und weil sie einen Freund auf dem Schiffdorfer Damm schon aus ihrer Schulzeit hatte, wollte sie nun gerne hier bleiben und arbeiten.
„Ich bin Arzthelferin, kann ich hier arbeiten?“ Dr. Krenz ließ sie arbeiten und als er sah, wie umsichtig und geschickt sie arbeitete, stellte er sie zum 15.11.1971 als Arzthelferin ein.
Dieses Arbeitsverhältnis hat ihr Tod nun für immer gekündigt.
Dr. Krenz hat mir viel davon erzählt, wie praktisch, ideenreich, zuverlässig und unermüdlich sie das Wohl der Praxis und der Patienten im Auge hatte. Sie lieferte immer einen voll verantwortungsbewussten Einsatz und fuhr auch schon extra zu den Patienten und kam auch extra in die Praxis für spezielle Fälle.
Alle Mitarbeiter der Praxis, die im Laufe der Jahre auf 5 Arzthelferinnen und zwei Lehrlingen und dem Einsatz der Eheleute Krenz ausgeweitet wurde, verstanden sich als eine große Familie. Das war ein Klima, in dem Hannelore zu voller Größe auflief.
Sie war eifrig an Weiterbildung interessiert und begann schon 1976 ihren ersten Kurs in der Manuellen Lymphdrainage in Heidelberg. Darauf aufbauend erwarb 1985 die Qualifikationen für die Berufe Heilmasseur und Heilbademeister. Den Saunameister hängte sie Ende 1985 beim Österreichischen Kneippärztebund noch an.
Ihre berufliche Kompetenz war weit überdurchschnittlich und als ich selbst im Februar 1988 meinen zweiten Herzinfarkt erlebt, war sie es, die mich unermüdlich und mit hoher Fachkenntnis vom Abgrund des Todes wegholte.
Doch zurück in die Zeit:
Am 02.09.1972 haben Hannelore und ihr erster Ehemann, der Kraftfahrzeugmechaniker Dieter Temps in Bremerhaven geheiratet.
Den Eheleuten wurden die beiden Söhne Christian (1977) und Andreas (1979) geboren.
Andreas ist zu Hause geboren und dies war für beide Eheleute gerade deshalb ein sehr einschneidendes Erlebnis.
Ihr Dieter und sie haben schwere Zeiten durchgemacht. Hannelore hat ihn besonders stark motiviert und unterstützt, so dass er seine Meisterprüfungen machte und endlich bei der Kreishandwerkerschaft einen relativ sicheren Arbeitsplatz bekommen konnte.
Das erste Haus ihrer Kindheit, in der Innstraße 4, wurde wieder zum Quartier für die ganze Familie. Und es wurde kräftig gebaut: Eine Waschküche kam hinzu, ein externen Schuppen und schließlich auch ein Wintergarten.
Hannelore zeichnete sich durch ausgefallenen und aufwändige Dekorationen zu den Siedlerfesten und allen anderen Feierlichkeiten aus. Kreativ etwas gestalten, mit den Händen etwas vollbringen – und sei es noch so schwierig, das war ein wesentlicher Teil ihres Lebens, auch wenn das bis weit über Mitternacht hinaus ging und sie an den Rand der Erschöpfung führte. Ihre Kreativität war grenzenlos und verbunden mit einem sehr guten ästhetischen Gefühl entstanden richtige Wunderwerke.
Natürlich gehörte auch Bobby, die Hündin zur Familie und zu Hannelore.
Doch dann geschah das Unfassbare, am 07.04.1995 starb ihr Dieter an Lungenkrebs.
Sie war mit meiner Trauerrede für Dieter – im Gegensatz zu anderen – sehr zufrieden und als ich etwa 1 Jahr später einen Kursus für Selbsterfahrung anbot, überredeten ihre beiden Jungs sie, doch unbedingt den Kurs mit zu machen.
Darauf aufbauend suchte sie mich zu späteren Gesprächen auf, die durchaus einen allgemeinen Charakter hatten.
Ich war von meinem ersten unerkannten und unbehandelten Herzinfarkt sehr geschwächt und sie stand immer noch unter dem Schock von Dieters Tod.
So fanden wir zusammen und gaben uns gegenseitig neue Kraft, den Lebenskampf wieder mutvoll aufzunehmen. Sie lud mich ein, zu ihr zu ziehen. Der Umzug war mühevoll und das Haus platzte aus allen Nähten.
Ihre Devise war: Wir schaffen das schon!
Ende 1997 konnten wir mit dem Umzug in den Jierweg 18, nach Schiffdorf beginnen. Das Haus, welches Dr. Krenz an uns verkaufte, war schon lange ihr Traumhaus gewesen.
Aus den sehr schwierigen Anfängen entwickelte sich zwischen uns eine „Traumpartnerschaft“ in unserem „Traumhaus“ mit vielen „Träumen“ für die gemeinsame Zukunft und vielen ausgefallenen Ideen.
Wir waren unzertrennlich und sie griff sehr kreativ und überaus aktiv auch mir in meiner Arbeit unter die Arme.
Wir planten eine Reihe von Projekten, von denen sich einige verwirklichten, wie z.B. Specksteinschneiden, selbst Flur und Bad kacheln nach selbst erdachten Mustern, meine Hochzeiten mit Musik und Dekoration versehen, usw..
Die finanziellen Möglichkeiten ließen es nicht zu, dass wir heiraten konnten. Das war ihr größter Wunsch.
Wir haben oft darüber gesprochen, dass das Andenken an einen Toten niemals den kraftvollen Lebensvollzug und die Neugestaltung des Lebens behindern darf, und das die Neugestaltung eines Lebens dieses Andenken und die Würde des Verstorbenen in keiner Weise einschränkt oder schmälert.
Wir haben auch oft darüber gesprochen, dass die Hochzeiten, die ich durchführe, genau so wie die kirchlichen Hochzeiten keine juristischen Hochzeiten sind, sondern soziale. Auch haben wir thematisiert, dass die sozialen Hochzeiten die ursprünglicheren und wichtigeren Hochzeiten sind; denn die Juristerei muss sich dem sozialen Gefüge eines Volkes anpassen und tut es auch im Nachhinein. Umgekehrt funktioniert das nicht.
Wir haben alles und jedes angesprochen und thematisiert. Begierig griff sie meine Welt, die für sie völlig neu war, auf und verarbeitete das.
Wir tanzten Hand in Hand durch die Jahre. Auch wenn wir in 14 Nächten insgesamt um die 15 000 Schnecken aufsammelten und vernichteten, oder wenn wir uns von Emden ein eigenes kleines billiges Motorboot auf eigenen Kiel hierher holten, oder wenn wir mit unserm Freund Benno und seinem Boot bis Friedrichstadt , Rendsburg, Kiel und Schleswig kamen.
Sie entwickelte die Technik der Kerzenbeschriftung und dekorierte die Schiffe bei den Seebestattungen, wir entwickelten eine eigene Seebestattungsflagge und dekorierten über ein Jahr lang das Schaufenster eines Bestatters in Lehe.
Wir zogen über die Flohmärkte und sammelten afrikanische und andere Masken.
Es war ein Leben wir im Traum und einer konnte ohne den anderen nicht sein. Es war der schönste Traum, den wir beide jemals erlebt haben.
Ende Februar fingen ihre Schmerzen im Bauch an. Anfang April stand die Diagnose fest: Sie hatte Blasenkrebs. Am 14.04. wurde sie operiert und das Ausmaß des Tumors sichtbar. Es gab keine Hilfe mehr für sie.
In der Nacht zum 16. Mai war ich die ganze Nacht bei ihr. Nach den Morphiumgaben konnte sie endlich schmerzfrei schlafen.
Um 5:30 Uhr wurde sie wach und freute sich, dass sie so gut geschlafen hatte. Und sie erzählte mir freudestrahlend ihren Traum:
Wir wären mit dem Kartoffelschiff auf der Weser unterwegs und würden von den Kapitän Klaus Sunkimat getraut werden.
Diesen Traum hatte sie im Beginn ihrer akuten Krankheitsphase schon mal gehabt. Und wir haben beide davon geträumt, ihn zu realisieren.
Ihr Zustand war bedenklich und ich holte die Kinder.
Ich nutzte die Gelegenheit und versprach ihr die Ehe. Sie strahlte und versprach mir die Ehe. Und dann lächelte sie zum letzten Mal mit ihrem ausgezehrten Gesicht und wir drückten und küssten uns.
Die Kinder fuhren nach Hause und ich blieb bei ihr. Gegen 7:30 Uhr flüsterte sie noch einmal deutlich vernehmbar: „Ich schaffe es!“
Und sie hat es bis zum Schluss geschafft, ihren Traum durchzuhalten.
Dann atmete sie nur im abgehakten Rhythmus wie eine Lokomotive. Um genau 8:00 Uhr tat sie in meinen Armen ihren letzten leise gewordenen Atemzug.
Sie ist dort, wo es kein Leid gibt.
Teil 3: Abschied
Es ist Zeit, Abschied zu nehmen.
Dazu ist es notwendig, dass wir alle unseren Frieden mit der Verstorbenen und ihrem Tod machen.
Während Ihr das still bei Euch selbst tut, werde ich der Verstorbenen eine längere Geschichte aus dem Johannesevangelium widmen:
Es bat ihn aber der Pharisäer einer, dass er mit ihm äße. Und er ging hinein in des Pharisäers Haus und setzte sich zu Tisch.
Und siehe, ein Weib war in der Stadt, die war eine Sünderin. Da die vernahm, dass er zu Tische saß in des Pharisäers Haus, brachte sie ein Glas mit Salbe und trat hinten zu seinen Füßen und weinte und fing an seine Füße zu netzen mit Tränen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küsste seine Füße und salbte sie mit Salbe.
Da aber das der Pharisäer sah, der ihn geladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und welch ein Weib das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.
Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er sprach: Meister, sage an.
Es hatte ein Gläubiger zwei Schuldner. Einer war schuldig fünfhundert Groschen, der andere fünfzig.
Da sie nicht hatten zu bezahlen, schenkte er’s beiden. Sage an, welcher unter denen wird ihn am meisten Lieben?
Simon antwortete und sprach: Ich achte, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht gerichtet.
Und er wandte sich zu dem Weibe und sprach zu Simon: Siehest du dies Weib? Ich bin gekommen in dein Haus, du hast mir nicht Wasser gegeben zu meinen Füßen; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet.
Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber, nachdem sie hergekommen bist, hat nicht abgelassen meine Füße zu küssen.
Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salbe gesalbt.
Deshalb sage ich dir, ihr sind viele Sünden vergeben; denn sie hat viel geliebt. Welchem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.
Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. Dein Glaube hat dir geholfen. Gehe hin in Frieden.
Johannes 7, 36 - 50
Wir hören jetzt ein Stück aus der russisch-orthodoxen Basilius-Liturgie. Diese Musik ist zum Pfingstfest in Jerusalem entstanden unter der Einwirkung des Heiligen Geistes.
Basilius hat sie etwa 350 Jahre später in dieser Form zu Papier gebracht.
Als ich nach Bremerhaven kam, war mein erster Freund in Bremerhaven, Alwin Himme, Prediger einer Freien Kirche, die zur Pfingstbewegung gehört. Er war der Bruder ihres Vaters Günter Himme.
Ich selbst war vorher Prediger in der Pfingstbewegung.
Mein Liebling, meine Hannelore ist am Pfingstmontag gestorben. Deshalb musste ich diesen Hymnus auswählen.
Musik: Hymnus
Wir verabschieden uns hier in der Kapelle von der Verstorbenen, weil sie eingeäschert werden soll:
Hannelore Temps ist am 20.10.1949 geboren und am 16.05.2005 gestorben.
Dietrich Bonhoeffer sagt:
„Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung.
Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.“
Ruhe in Frieden.
Heute Morgen wurde mir klar, dass ich Euch alle zur anschließenden Kaffeetafel in die „Geetkann“ am Schiffdorfer Damm einladen muss.
Hannelore hat praktisch zum Geburtstag ihrer Mutter am 01. März das letzte Mal ordentlich gegessen.
Sie ist u.a. praktisch verhungert. Essen und Trinken ist unsere Methode, den Tod hinaus zu schieben.
Weil unser Motto heißt:
Leben muss immer Vorrang haben,
deshalb müssen wir essen und trinken. Das ist eine Demonstration unseres Lebenswillen angesichts des Todes von Hannelore.