Name | Hülseberg | ||
Vorname | Meta | ||
Geboren | Kück | ||
Geboren | 16.12.1908 | ||
Gestorben | 06.03.2004 | ||
Ort | Lunestedt-Westerbeverstedt | ||
Friedhof | Lunestedt-Westerbeverstedt | ||
Datum | 10.03.2004 | ||
Redner | FREIER REDNER: Uwe Peters | ||
Bestatter | Bestattungsinstitut Koop | ||
Homepage |
Meta Hülseberg
16.12.1908 – 06.03.2004
Beerdigung am 10.03.2004 um 15: Uhr auf dem Friedhof Lunestedt-Westerbeverstedt
durch Bestattungsinstitut Koop Grashoffstraße 8, Bremerhaven
Liebe Angehörigen und Freunde der Verstorbenen
Meta Hülseberg
Wir sind hier zusammen gekommen um von der Verstorbenen Abschied zu nehmen und ihrer noch einmal gemeinsam würdigend zu gedenken.
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Teil 1: Hilfe für die Hinterbliebenen
Bei Khalil Gibran habe ich einen Text gefunden, der uns hier und jetzt vielleicht wegweisend sein kann. Er schrieb:
„Erinnerung ist immer eine Form der Begegnung.“
Wir haben zusammengesessen und über Oma Meta nachgedacht und über sie geredet. Ich selbst habe ja auch eine Reihe von Erfahrungen mit ihr gemacht und habe persönliche Erinnerungen an sie.
In unserem Gespräch wurde wiederum deutlich, wie sich Erinnerungen darstellen. Einer erinnerte sich an dies und der andere an das. Manchmal stimmten unsrer Erinnerungen überein und manchmal auch nicht.
Schließlich herrschte am Ende unseres Gespräches stillschweigende Übereinkunft, das wir ihr Leben mit unseren Erinnerungen nur andeuten konnten.
Erinnerungen sind immer ein Auswahlprodukt. Wir erinnern nicht das, was tatsächlich in ihrem Leben alles gewesen ist, sondern was wir ausgewählt haben, also was uns in Erinnerung geblieben ist.
Und wir wählen unsere Erinnerungen nach ganz bestimmten Gesichtspunkten aus. Weil Erinnerungen immer eine Form der Begegnung mit dem erinnerten Wesen oder Gegenstand ist, suchen wir uns solche Erinnerungen zusammen, die uns in der derzeitigen Begegnung, welche in der Erinnerung geschieht, angenehm sind und helfen.
Im Erinnern begegnen wir dem andern so, wie der andere in unsere eigene Geschichte hineinpassen soll. Die Begegnung mit dem anderen in unserer Erinnerung gibt uns Aufschluss darüber, warum wir gerade so sind, wie wir sind. Deshalb ist das Erinnern der Schlüssel zu unserer eigenen Geschichte.
Und wenn wir uns selbst im Laufe der Jahre verändern, dann werden wir zu unserem Erstaunen merken, dass sich damit auch unsere Erinnerung an andere Menschen verändert.
Und noch etwas ist wichtig: Weil die Erinnerung immer eine Form der Begegnung ist, müssen wir die Erinnerung in der Trauerfeier so gestalten, dass möglichst viele Menschen der Verstorbenen begegnen können.
Deshalb kommen wir nicht umhin, ihren Lebenslauf zu besprechen; denn irgendwo in diesem Lebenslauf hat Ihre Begegnung mit der Verstorbenen stattgefunden. Irgendwo in diesem Zeitablauf Ihres Lebens kam der Augenblick, an dem Sie ganz wichtig für die Verstorbene wurden und umgekehrt.
Und schließlich war Meta Hülseberg eine ganz besondere Frau, die eigentlich aus einer ganz anderen Welt stammte. Die Zeitströmungen waren ihr entgegen gesetzt. Und das hat sie geprägt und sie niemals brechen oder beugen können.
Alles das werden wir in der Begegnung mit ihr näher vertiefen.
Teil 2: Würdigung der Verstorbenen
Die einmalige und unwiederholbare Geschichte der Verstorbenen begann am 16.12.1908 in Kransmoor. An diesem längst vergangenen Tag tat dort
ihren ersten Schrei.
Meta war ihr Rufname und sie stammte aus einer kinderreichen Familie. Von ihren Brüdern Johann, Wilhelm, Martin, Georg und Hinrich habe ich keinem mehr kennen lernen können.
Aber von ihren Schwestern Marie, Anna, Tine, Dele und Ella erinnere ich mich noch gut an Ella. Auch meine ich Marie und Dele noch selbst erlebt zu haben.
Alle Geschwister sind vor ihr verstorben.
In Lohe wuchs Meta in ärmlichen Verhältnisse mit ihren Geschwistern auf. Die Landwirtschaft war klein und durch den Torfverkauf sicherte sich die Familie das Überleben.
Nach ihrer Schulzeit kam sie hierher nach Westerbeverstedt und arbeitete bei Bauer Bullwinkel als Hausgehilfin. Wenn Zahltag war, kamen ihre Eltern um ihren Lohn abzuholen.
Das war nichts außergewöhnliches, sondern damals allgemein üblich. Schließlich mussten die Eltern die Familienwirtschaft aufrecht erhalten.
Irgendwann stellte sich Bauer Bullwinkel auf Metas Seite. Er zahlte nur noch an Meta den Lohn aus. Das löste sie aus der jugendlichen Betäubung heraus, dass man nur das tun darf, was sie alle tun.
Junge Leute finden instinktiv immer zueinander. Hier in Westerbeverstedt lernte sie den jungen stattlichen Kupferschmied Ernst Hülseberg kennen und lieben.
Am 25.10.1930 haben die Liebenden in Beverstedt geheiratet.
Den Eheleuten wurden die Kinder Lisa (29.09.1931) und Werner (29.10.1934) geboren.
Die junge Familie fand Wohnung im Dachgeschoss der Schule hier in Westerbeverstedt bei Lehrer Backhaus. Natürlich hat sie in seinem Haushalt mitgearbeitet und ausgeholfen.
Ende der 30er Jahre, kurz vor Kriegsausbruch konnten sich die Eheleute ihren Traum von einem eigenen Haus endlich erfüllen. Im Zuge der Siedlungsbauten bekamen sie am Vosskamp 6 ihr eigenes Haus mit einer landwirtschaftlichen Nebenerwerbsfläche von ca. 3000 qm Land.
Um das Glück vollständig zu machen, bekam ihr Ernst das äußerst begehrt „u.k.-Ticket“, das heißt, er war als Kupferschmied „unabkömmlich“ und musste deshalb nicht an die Front. Für kriegswichtige Aufgaben brauchte ihn seine Firma weiterhin als Facharbeiter.
Sie stürzte sich mit gewohnten Fleiß und Eifer in eben diese Nebenerwerbslandwirtschaft, für die das Siedlungshaus gedacht war.
Sie versorgte eine Kuh, immer auch ein Schwein, an ein Schaf erinnern sich ihre Lieben, Enten, Gänse und Hühner gehörten bis in ihr fortgeschrittenes Alter einfach zu ihrer Wirtschaft.
Die Erinnerungen an ihre Freundinnen Anna Huxoll und Ette Scharnhorst sind besonders im Zusammenhang mit dem Gänseschlachten und –Rupfen noch sehr lebendig. In der Vorweihnachtszeit gab es regelmäßig die Schlacht- und Rupftage, denn Meta verkaufte ja auch ihre Gänse. Das waren Jahr für Jahr harte Stresstage.
Erstaunlich war, dass sie selbst nie ein Tier geschlachtet hat, obwohl der Gänsebraten ihr Lieblingsessen lebenslang blieb.
Dennoch war ihr Leben nicht nur Glück und Sonnenschein. Ihr Werner litt an einer chronischen Hauterkrankung.
Mit der ihr eigenen Zähigkeit versuchte sie die Krankheit mindestens zu lindern. Alles wurde versucht und kein Arzt konnte helfen.
Irgendjemand gab ihr die Adresse von Schäfer Ast aus der Lüneburger Heide. Noch während der Kriegszeit fuhr sie mit ihrem Werner nach Winsen an der Luhe zu Schäfer Ast. Schäfer Ast „besprach“ ihren Werner und sein Leiden linderte sich. In gewissen Abständen fuhr sie wieder dorthin.
Und nun teilt sich unsere Erinnerung:
Ihrer Familie hat sie erzählt, dass sie mit einem Heiler oder Besprecher in Loxstedt Kontakt aufgenommen hatte. Dieser alte Herr hat nach einer Weile ihre eigenen Fähigkeiten erkannt und ihr „seinen Spruch gegeben“, weil er aus Altersgründen nicht mehr aktiv sein wollte. In der alten Heiler – oder Besprechertradition gibt es eine Regel, nach der die Kraftübertragung beim Generationswechsel gegengeschlechtlich erfolgt, also von einem Mann auf eine Frau und von einer Frau auf einen Mann. Dazu wird dann auch der geheimnisvolle Kraftspruch weitergegeben.
Die Geschichte von dem Loxstedter Heiler ist für mich glaubhafter als die Geschichte, die sie mir selbst erzählt hat.
In mir sah sie einen Konkurrenten und deshalb hat sie mir die Geschichte ganz anders erzählt:
Sie sei mit Werner von Winsen wieder einmal nach Hause gefahren und kam mit einem älteren Herrn im Abteil ins Gespräch. Dieser geheimnisvolle Mann habe ihr gesagt, sie brauche nicht immer nach Winsen zu fahren, sie selbst habe die Kraft und Vollmacht Menschen zu heilen.
Dann habe sie das bei Werner ausprobiert und siehe da, sein Leiden linderte sich.
Jedenfalls hat sie fortan als Besprecherin und Heilerin sehr vielen Menschen helfen können. Unsere groben Schätzungen liegen bei ungefähr 10 000 Menschen, denen sie die Hände aufgelegt hat und die sie mit ihrem „Spruch“ besprochen hat.
Mit zunehmendem Alter wurde ihr Wirkungskreis immer größer. Das alles passierte in einer Zeit des ungeahnten medizinischen Fortschritts. Und in einer Zeit, in der die Krankenkassen alles und jedes sofort bezahlten. Die wissenschaftliche Verachtung, geboren aus purer Ignoranz, war niemals so stark und flächendeckend, wie in ihrer aktiven Zeit.
Deshalb kamen viele Menschen heimlich und unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu ihr. Ein moderner Mensch geht doch nicht zu einer Besprecherin! Und wer weiß, ob sie nicht insgeheim doch eine Hexe ist, die früher von den christlichen Kirchen total verurteilt wurden und deren Praktiken heute noch von den meisten Kirchen strikt abgelehnt werden?
Meta Hülseberg war eine sehr sensible, mitfühlende und mitleidende Frau. Sie litt mit ihren Patienten mit und teilte sich das auch ein, so dass nicht zu viele am selben Tag zu ihr kämen. Sie war nach ihren Behandlungen ausgezehrt und brauchte ihren Kaffee und auch Ruhe.
Das alles tat sie ohne Honorarforderungen. Erst im Laufe der Jahre erkannte sie, dass auch ihre Arbeit nicht umsonst sein kann, weil sie sonst niemand ernst nimmt. Menschen würdigen nur das, wofür sie etwas bezahlt haben.
Dann stellte sie ihre zugeklebte Saftflasche mit dem weiten Hals hin. Wer ihr etwas gab, dem dankte sie und wer nichts gab, durfte trotzdem wiederkommen. Wenn wir zu Weihnachten zusammensaßen und die Saftflasche aufmachten um das Geld zu zählen, dann war es niemals ihr Verdienst, sondern sie strahlte darüber, dass die Menschen es mit ihr so gut gemeint hatten.
Ihre Behandlungen hatten die Schwerpunkte der sehr schwierigen Hauterkrankungen. So hatte das mit Werner angefangen und so blieb das auch. Gürtelrose, offene Beine, und andere Hauterkrankungen reagierten auf ihre Behandlung und ihr Besprechen außerordentlich positiv.
Dabei hatte sie ganz praktische Rezepte zur Hand. Kamille war ihr besonders wichtig zum auswaschen, abwaschen und desinfizieren und dann schwor sie auf „reine Vaseline“. Dabei war das „reine“ ganz wichtig.
In der Zeit, in der ich näheren Kontakt mit ihr hatte, hatte sie die „reine Vaseline“ mit Ringelblumen ergänzt.
Doch auch ihr Privatleben entwickelte sich außerordentlich schwierig, nachdem ihr Ernst am 14.11.1961 in Hamburg auf dem Weg zur Arbeit plötzlich verstarb. Er hat Zeit seines Lebens bei Kramer gearbeitet und war für Kramer in Hamburg auf Montage. Auf dem Weg zur Arbeit brach er zusammen und war tot.
Sie muss ihn sehr geliebt haben; denn sie kapselte sich ab, hörte kein Radio mehr und sah kein Fernsehen, verschloss sich auch dem Kontakt mit ihrer Familie und es dauerte einige Jahre, bis sie sich endlich damit abgefunden hatte, dass sie nun ohne ihren Ernst leben müsse.
Dabei half ihr ihre Enkeltochter Dagmar. Ihre Tochter Lisa hatte 1954 beim Betonwerk Taben angefangen zu arbeiten. Abends war Lisa mit ihren Mann Leo und Tochter Dagmar sowieso immer bei ihr. So war es ganz selbstverständlich, dass Dagmar Omas Kind wurde.
Da Ihr mir Oma Meta genauso geschildert habt, wie ich sie erlebt habe, nämlich als „ausgemachten Besen“ und mit einem dicken Kopf gesegnet, mussten die Eltern niemals Angst haben, dass Klein-Dagmar nun über alle Maßen verwöhnt wurde.
Stolz war sie über Dagmars beruflichem Werdegang und eisern zu ihrer Enkelin haltend hat sie ihren Lebensweg mit kurzen Fragen und Informationen verfolgt. Vieles hatte sie sich für ihre Dagmar anders vorgestellt. Und das gab immer wieder Anlass den Adrenalinspiegel auf Höchstmarken zu bringen, aber wenn die Aufregung vorbei war – nun gut, dann war sie eben vorbei! Und alles blieb, wie es war.
Nach dem Tod ihres Ernst hat ihr Schwiegersohn Leo sich intensiv für Haus und Garten bei ihr eingesetzt. Sie verkaufte ein Teil des für sie viel zu großen Grundstücks, so dass sie es mit Leos Hilfe bearbeiten konnte. Und es musste immer „picobello“ sein.
Die Familien waren ja schon zu Zeiten ihres Ernst sonntags über Land gefahren und sie hatte sich abgeguckt, wie die anderen Gärten, Häuser und Vorgärten gestaltet waren. Dann hat ihr Ernst ihr geholfen, diese Ideen zu verwirklichen.
Nach seinem Tod übernahm Leo diese Rolle. Es lag ihr sehr viel daran, dass alles ordentlich und gepflegt war.
Sie, die sich sehr wohl als Außenseiterin in der Gesellschaft begriff, die außerhalb ihrer Familie nur sehr wenig geselliges Beisammensein pflegte, legte großen Wert darauf, das „alles ordentlich war“.
Und Leo mühte sich redlich ab, um Metas Wünsche zu erfüllen. Doch sein viel zu früher Tod nahm ihr auch diese Hilfe und Stütze.
Ihr großes Hobby war noch zur Zeit ihres Ernst, mit ihm sonntags Abends in die Wremer Strandhalle zu fahren um dort Krabben zu essen.
Nach seinem Tod und in der Zeit, in der ich nähere Kontakte mit ihr hatte, fuhr sie gerne mit der Familie zu Bathmann. Gutes Essen war ihr ganz wichtig.
Und natürlich war ihr Kaffee ihre wirkliche Sucht. Es gibt wunderschöne Geschichten, wie sie in der Nachkriegszeit an Kaffee heran kam und wie sie noch die letzte runtergefallene Bohne unter dem Schrank hervorholte. Kaffee war ihr Lebenselixier.
Und drittens erinnert sich Dagmar daran, wie sie jahrelang den TOTO-Schein abgeben musste. Meta war ein Fußball-TV-Fan. Vor dem Fernseher konnte sie richtig vergrellt werden, wenn der falscher Verein ein Tor schoss.
Reiten in Fernsehen schaute sie sich auch gerne an.
Im Sommer 2000 stürzte sie in ihrem Haus, dass sie lebenslang mit großen Eifer renoviert und verbessert hatte. Sie kam ins Krankenhaus und sollte von dort in das Heim Wachholz kommen. Das verzögerte sich geringfügig.
Von Wachholz kam sie im Oktober 2000 in die Villa Schocken nach Bremerhaven. Es ging ihr dort sehr gut und sie fand den Kontakt mit Pflegern und Heimbewohnern praktisch außerordentlich gut. Sie erholte sich und lebte richtig wieder auf, obwohl sie ihre alte Idee vom selbständigen Leben in ihrem eigenen Haus niemals aufgegeben wollte.
Werners Tod im Juli 2002 nahm sie noch zur Kenntnis, aber ihre Energie war zu verbraucht, als dass noch stärkerer Reaktionen möglich waren.
Eine schwere Bronchitis wurde der Auslöser, dass sie am 06.03.2004 in der Villa Schocken ihren letzten und sie doch erlösenden Atemzug tat.
Sie ist dort, wo es kein Leid mehr gibt.
Abschied
Wir müssen Abschied nehmen.
Dazu ist es notwendig, dass Sie alle Ihren Frieden mit der Verstorbenen machen.
Während Sie das so still bei sich bedenken, werde ich der Verstorbenen ein letztes Vaterunser widmen. Ich benutze dazu den Text aus dem Matthäusevangelium:
Unser Vater in dem Himmel.
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schulden
Wie wir unseren Schuldigern vergeben.
Und führe uns nicht in Versuchung
Sondern erlöse uns von dem Übel;
Denn dein ist das Reich und die Kraft
Und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, amen.
Nachdem wir unseren letzten gemeinsamen Weg mit der Verstorbenen gegangen sind, betten wir nun
Meta Hülseberg, geboren am 16.12.1908 und am 06.03.2004 für immer von uns gegangen, zu ihrer letzten Ruhe.
Wir wollen nicht klagen, weil wir sie verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir sie unter uns hatten.
Ruhe in Frieden.