Name | Robl | ||
Vorname | Ludwig | ||
Geboren | |||
Geboren | 19.02.1954 | ||
Gestorben | 21.04.2010 | ||
Ort | Bremerhaven | ||
Friedhof | |||
Datum | 26.04.2010 | ||
Redner | |||
Bestatter | Bestattungsinstitut Koop | ||
Homepage |
Liebe Familie Schütte,
liebe Angehörige und Freunde
des verstorbenen
Ludwig Robl
Wenn ein Mensch gestorben ist, ist das niemals ein isoliertes Ereignis. Die Psychologie definiert den Menschen als autonom und zugleich interdependent (Ruth Cohn).
Das heißt in die allgemeine Sprache übersetzt: Wir sind immer ganz alleine und für uns selbst verantwortlich und zugleich ein Teil der Gemeinschaft, die wir uns in unserem Leben aufbauen.
Deshalb muss es in der Trauerfeier immer um den einzelnen und ganz individuellen Menschen gehen und zugleich muss den Menschen, mit denen der Verstorbene engere oder weitere Beziehungen hatte, die Chance gegeben werden, sich von ihm ordentlich zu verabschieden.
Das sind elementare Bedürfnisse in uns, die dann oft von Religionen und Ideologien über formt werden. Wir dürfen deshalb nicht die Form, die wechseln kann, mit dem Inhalt verwechseln, der seit Jahrtausenden immer der gleiche geblieben ist.
Abschied nehmen, sich auf das Leben des Verstorbenen besinnen und unter diesen – durch seinen Tod – neu geschaffenen Verhältnissen die Zukunft wiedergewinnen. Das ist hier und jetzt unsere Aufgabe.
Teil I: Hilfe für die Hinterbliebenen
Unser herkömmliches Denken in unserem Lande ist stark von den Erkenntnissen des Rene Descartes geprägt und gipfelt in dem Satz „Ich denke, also bin ich.“ Dieser Satz ist auch gleichzeitig die Grundlage seiner Metaphysik.
Die Metaphysik wurde von dem griechischen Philosophen Platon erfunden und ist eine spezielle Form der denkerischen Phantasie, welche als Krone des menschlichen Denkens galt und überwiegend auch heute noch so gesehen wird.
Diese denkerischen Phantasien erfordern eine spezielle Schulung und ein besonderes Training im Denken, welche nur für die wenigsten Zeitgenossen zugänglich ist.
Descartes hat dieses hoch spezialisierte Denken mit seinem Satz zum Maßstab für jeden Menschen gemacht und wer demnach diesen Maßstab nicht erfüllen kann, kann auch kein vollwertiger Mensch sein.
Daraus hat sich dann im allgemeinen Bewusstsein so etwas wie eine Klassenteilung der Menschen entwickelt.
Menschen, die potentiell zur Metaphysik fähig sind, gehören in die Klasse eins und Menschen, die das potentiell nicht können, gehören in die Klasse zwei.
Diese Trennung der Menschen in zwei Klassen finden wir schon im Neuen Testament, im Lukas 18, 9-14:
Ein Pharisäer und ein Zöllner gehen in den Tempel um zu beten. Der Pharisäer dankt Gott dafür, dass er ein Pharisäer ist und vorbildlich lebt mit regelmäßigem Fasten und Steuern zahlen. Der Grund für seinen Dank ist weiterhin, dass er nicht so lebt wie die Räuber, Ehebrecher oder eben der Zöllner.
Zwei Betrachtungsweisen haben unsere Bevölkerung geprägt: Die christliche Betrachtungsweise mit ihren moralischen Forderungen und die eher wissenschaftliche Betrachtungsweise mit ihren denkerischen Forderungen geht immer von einem ideal gedachten Menschen aus, den es in Wirklichkeit so kaum gibt.
Erst in der produktiven Ruhe der Nachkriegszeit nach dem 2. Weltkrieg war es möglich, dass sich neue Ansätze entwickeln konnten.
Der Portugiese Antonie Damasio veröffentlichte 1994 sein bahnbrechendes Werk: Descartes Irrtum – Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn und im Jahr 2000 die Entschlüsselung des Bewusstseins.
Diese neuen Erkenntnisse hat dann Michael Schmidt-Salomon in seinem Werk: Jenseits von Gut und Böse, mit der frohen Botschaft für nackte Affen für den täglichen Gebrauch umgesetzt.
Was bedeutet das alles für unsere Abschiedsfeier für Ludwig Robl?
- Es bedeutet, dass wir uns abgekehrt haben von den zwei Klassen der Menschen. Für uns ist es selbstverständlich, dass der Verstorbene ein vollwertiger Mensch der Menschenfamilie war.
- Es bedeutet dass die Solidargemeinschaft in unserem Staat den einen unterstützt, weil er arbeitslos geworden ist und den anderen, weil er nach einer Herzoperation zur Reha muss. Es bedeutet das wir für den einen einen Arbeitsplatz schaffen, wo er sitzen kann und für den anderen, wo er immer draußen sein kann. Der eine arbeitet auf dem Bau und der andere in einer besonderen Werkstatt.
- Es bedeutet, dass man mit dem Papst nicht über den Zölibat diskutieren kann und sicherlich konnte man mit Ludwig Robl nicht über die Berechtigung deutscher Soldaten in Afghanistan diskutieren. Mit mir kann man nicht über die Vorzüge des Jever-Pils-Bieres reden. Ich verstehe davon nichts.
- Ich habe einen guten Bekannten, der läuft nur im Anzug herum und einen anderen, der hat gar keinen Anzug.
Wenn es uns gelingt diese denkerischen Spinnereien, welche uns als die Höchstleistung des Denkens angepriesen werden, als des Kaisers neue Kleider in Andersens Märchen zu erkennen und zu entlarven, dann werden wir mit allen Menschen vernünftig umgehen und alle Menschen als wertvolle Bereicherung unserer menschlichen Gesellschaft anerkennen und schätzen.
Aber solange wir noch diese geistigen Spinnereien in unserem Kopf herumtragen, wird die Solidarität mit den anderen Menschen nur Heuchelei und Schauspiel, welches sehr genau gefühlt wird und den menschlichen Kontakt miteinander bis auf den Grund vergiftet.
Ludwig Robl war ein Mensch wie Du und Ich, wie jeder andere von uns. Diese Wirklichkeit bedarf nur dann einer besonderen Betonung, wenn die Bevölkerung von dem geistigen Virus befallen ist, dass es zwei Sorten von Menschen gibt. In einem geistig gesunden Volk ist es selbstverständlich, dass der eine diese Qualitäten hat und der andere jene und dass ein Mensch niemals alles kann und alles weiß.
Teil II: Würdigung des Verstorbenen
Am 19.02.1954 kam in Delmenhorst
Ludwig Robl
zu uns in diese Welt.
Wir wissen aus seiner Kindheit und Jugend sehr wenig und alles nur bruchstückhaft.
Wir wissen von einer Schwester, die wegen ihrer Erkrankung in einem Heim lebt.
Wir wissen von einem Bruder, der bei der Bundeswehr war und anschließend Fernfahrer geworden ist und sich eine stabile soziale Existenz aufgebaut hat.
Sein Vater war wohl abhängig krank und die Mutter lebt in einem Heim, weil sie die Orientierung verloren hat.
Von den anderen Geschwistern ist uns nichts bekannt.
Oben im Haus wohnte seine Großmutter, bei der er oft war und die sich für den Jungen Zeit nahm. Sie hat sich viel um ihn gekümmert.
Nach Abschluss seiner Schulzeit ging Ludwig Robl in eine Tischlerlehre, die er jedoch nicht zu Ende brachte.
Er war schon als sehr junger Mann in den dortigen Schützenverein eingetreten, der für ihn außerordentlich viel bedeutete. Es gab dort Kameradschaft, Gemeinschaft und fröhliche Feiern.
Die fröhlichen Feiern wurden wesentlicher Lebensinhalt und damit waren Lehre, Arbeit und der Aufbau einer eigenen Existenz in den Hintergrund gerückt. Da jedoch das Leben weitergeht und niemals innehält, benötigter er Mittel um sein Leben zu bestreiten. Aus einem geregelten Aufbau seines Lebens war er ausgeschieden und die Folgen waren immer wiederkehrende hilflose Versuche der Gesellschaft, seinen gesellschaftsschädlichen Weg einzudämmen.
Auch eine Verlobung mit einem hoffnungsvollen Mädchen konnte nicht helfen, zumal er deutlich machte, dass die Schwiegereltern ihm viel wichtiger waren. Mit dem Vater seiner Verlobten ging er gerne angeln, die Mutter war ihm sehr wichtig und bei seinen jährlichen Besuchen in Delmenhorst von Bremerhaven aus, war immer ein Besuch bei seinen Ex-Schwiegereltern eingeplant.
Doch zurück in die Reihenfolge:
Ende der 70ger Jahre des vorigen Jahrhunderts kam er in der Delme-Werkstatt gGmbH Stück für Stück wieder in einen überschaubaren Lebensablauf.
Nach einigen Jahren zog er um und bekam Arbeit und Unterkunft im CVJM Sozialwerk Wesermarsch e.V. in Nordenham.
Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts kam er nach Bremerhaven in die Elbe-Weser-Werkstätten Gemeinnützige GmbH.
Hier arbeitete er sich ein in die Öl & Gasbrenner Montage und blieb über 13 Jahren ein pflichtbewusster und zuverlässiger Mitarbeiter.
Die EWW bescheinigt ihm eine besondere Hilfsbereitschaft und sehr zuvorkommende Art Kollegen auf dem Arbeitsplatz und Mitbewohnern im Betreuten Wohnenge gegenüber.
Im Jahr 1977 nahm er Kontakt auf mit dem Verein zur Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher in Bremerhaven und Umgebung e.V.
In der Familie Schütte fand er das, was er in seiner Kindheit und Jugend vermissen musste, nämlich so etwas wie einen Elternersatz und zugleich auch eine Aufgabe, der Tochter Myriam helfend zur Seite zu stehen.
Jede freie Minute widmete er dem „Förderverein“. Er machte Werbung für den Verein und fuhr mit, um Flohmarktsachen einzusammeln. Er war ein eifriger Verkäufer des vereinseigenen Flohmarktes. Er entwickelte sich zu einer Allroundhilfe des Vereins und fühlte sich wohl dabei.
Mit Frieda Vollrath, der Mutter der Frau Schütte, erlebte er seine Kindheit mit seiner Oma noch einmal. Sie wurde seine bevorzugte Bezugsperson. Als sie am 10.03.2005 starb, entwickelte er einen psychiatrischen Schub und musste in die Klinik.
Snorre, so wurde er von Myriam genannt, ein Name für ihn, der sich bald überall durchsetzte, nahm seine Verantwortung für Myriam sehr ernst und sie war sehr folgsam, denn sie wusste, dass er es gut mit ihr meinte.
Auch die Hunde bei Schüttes, der Hund Nr. 1, die Lissy und Hund Nr. 2, die blinde Greta, waren auf ihn abboniert. Beide Hunde hatten ein „Traumleben“ bei Schüttes, weil Ludwig Robl manchen Abend bis zu dreimal mit dem Hund Gassi ging.
Sein Körper machte ihn unruhig. Eine länger ausdauernde Tätigkeit und auch nur Gemütlichkeit musste er immer wieder unterbrechen und herumlaufen.
Seine eigene Wohnung war sehr gepflegt. Er nahm seine eigenen Hausarbeiten sehr ernst und alles war wohlgeordnet und picobello. Genauso, wie er auf sein eigenes Erscheinungsbild achtete.
Bis vor 4 Jahren war er ein starker Raucher. Dann legte er bei Schütte seine letzte Packung Zigaretten auf den Tisch und sagte: „Die will ich noch aufrauchen. Dann ist Schluss.“ Dann war auch Schluss.
Am 1. September wurde er an der Lunge operiert. Man entfernte den Tumor und hatte nicht mitbekommen, dass sich schon Metastasen im Hirn gebildet hatten.
Nach seinem Krankenhausaufenthalt kam er in stationäre Pflege nach Drangstedt. Dort tat er am 21.04.2010 seinen letzten und ihn doch erlösenden Atemzug.
Teil III Abschied
.Wir müssen Abschied nehmen.
Dazu ist es notwendig, dass Sie alle Ihren Frieden mit dem Verstorbenen machen.
Während Sie das so still bei sich selbst entscheiden, werde ich dem Verstorbenen einen Text aus den Gedichten von Erich Fried widmen:
Erinnern
das ist
vielleicht
die qualvollste Art
des Vergessens
und vielleicht
die freundlichste Art
der Linderung
dieser Qual
Wir verabschieden uns hier in der Kapelle von dem Verstorbenen, weil er eingeäschert werden soll:
Ludwig Robl ist am 19.02.1954 geboren und hat uns am 21.04.2010 für immer wieder verlassen.
Wir wollen nicht klagen, weil wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir ihn unter uns hatten.