Liebe Frau NN,
liebe Angehörigen und Freunde
der Verstorbenen NN
Der Verstorbene war Seemann und dem Wasser sehr verbunden und hat auch seine Ehefrau von dieser Liebe zum Meer begeistert.
Sie haben sich gewünscht, dass ich dieser Trauerfeier einen Bibeltext zu Grunde lege und auch ein Vaterunser verwende. Dem komme ich gerne nach; denn unsere moderne Ethik lehrt uns, das
Leben immer Vorrang haben muss!
Als ich nach einem Text aus der Bibel suchte, der zu dem Leben des Verstorbenen passen könnte, kam ich folgerichtig an einem Text aus dem Neuen Testament nicht vorbei. Er steht in Lukas 5, 1 - 7; 10b:
"Es begab sich aber, da sich das Volk zu ihm drängte, zu hören das Wort Gottes, dass er stand am See Genezareth
Und sah zwei Schiffe am See stehen; die Fischer aber waren ausgetreten und wuschen ihre Netze.
Da trat er in der Schiffe eines, welches Simons war, und bat ihn, dass er`s ein wenig vom Land führte. Und er setzte sich und lehrte das Volk aus dem Schiff.
Und als er hatte aufgehört zu reden, sprach er zu Simon: Fahre auf die Höhe und werfet eure Netze aus, dass ihr einen Zug tut.
Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen.
Und da sie das taten, beschlossen sie eine große Menge Fische, und ihr Netz zerriss.
Und sie winkten ihren Gesellen, die im andern Schiff waren, dass sie kämen und hülfen ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Schiffe voll, also dass sie sanken...
Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht; denn von nun an wirst du Menschen fangen."
Wenn man sich mit dem Leben Jesu ein klein wenig näher beschäftigt, dann fällt auf, dass in den 4 Evangelien etwa 8 mal davon gesprochen wird, dass Jesus in ein Haus trat oder in einem Hause war. Jedoch wird etwa 14 mal davon gesprochen, dass Jesus in ein Schiff trat oder in einem Schiff war. (nach der deutschen Übersetzung, Anker Konkordanz)
Das Schiff scheint für das Auftreten Jesu ungleich wichtiger zu sein als ein Haus.
Ich habe mich gefragt, wofür man Häuser braucht und wofür man Schiffe benötigt.
Der Sinn und Zweck eines Hauses ist es, an einem Ort eine Behausung zu haben, zu Hause zu sein, an einen geographischen Platz hinzugehören.
Der Sinn und Zweck eines Schiffes dagegen ist genau das Gegenteil, nämlich unterwegs zu sein. Ein Schiff gehört auf See.
Es muss den Ort, wo es beim Amtsgericht registriert ist, überhaupt nicht gesehen haben. Die Flagge, die es fährt, wird wie ein bunter Lappen ausgetauscht.
Aber fahren muss es. Oder es liegt im Museum. Niemals wird seine Bestimmung - unterwegs zu sein - austauschbar.
Jesus scheint mit seiner großen Vorliebe für Schiffe eben jenes ausdrücken zu wollen, nämlich dass Leben immer Bewegung ist, und dass es nur funktionieren kann, wenn es unterwegs ist.
Wir kommen von nirgendwo und gehen nach nirgendwo. Unterwegs gibt es Rastplätze, Gastplätze, die wir missbrauchen, wenn sie uns zur Heimat werden sollen.
Auf Spruchkarten finden Sie häufig den Text:
"Unterwegs sein ist das Ziel."
Das Schiff hat in den Evangelien verschiedene Funktionen:
- Jesus gebraucht es hauptsächlich als Predigtkanzel.
- Dann wird das Schiff in den Evangelien als Transportmittel für Personen benötigt.
- Schließlich wird mit dem Schiff gefischt.
- Und das Schiff stellt Verbindungen her, wo man sonst wohl niemals hinkäme.
1.
Unser Leben wird mit dem Schiff verglichen. Jesus trat in ein Schiff, um zu predigen.
Dabei weiß jeder Pädagoge, dass Taten lauter sprechen als Wörter. Wenn unser Leben zur Predigtkanzel werden soll, dann muss es in sich stimmig sein, kongruent, wie die Fachleute sagen.
Unser Leben und unsere Wörter müssen übereinstimmen. Unser Reden muss, wenn er das alltägliche Leben tangiert, im praktischen Lebensvollzug sichtbar werden.
Alle Eltern haben beobachtet, dass ihre Kinder weniger auf das hören, was ihnen gesagt wird, aber sehr genau registrieren, was die Eltern tun.
2.
Unser Lebensschiff ist ein Transportgefäß für viele andere Menschen.
Nehmen wir z.B. den Verstorbenen. Er ist in Ihnen existent und benutzt Sie als Transportgefäß. Sie beherbergen ihn in sich wie ein Schiff die Menschen in seinen Räumen.
Wo immer Sie hingehen, er ist in Ihnen, in Ihrer Erinnerung, und Sie nehmen ihn immer mit.
Und umgekehrt war das auch so. Sie waren in ihm, in seinem Leben eine kostbare Fracht, für die er die Verantwortung übernahm.
3.
Jesus sagt am Schluss dieser Geschichte: Du sollst Menschen fangen.
Jeder von uns ist ein Menschenfischer. Die sozialen Kontakte, die wir aufbauen, sind nicht automatisch jene, die uns in die Wiege gelegt worden sind.
Wir sind alle Menschenfischer und bauen uns im Laufe unseres Lebens unsere Partnerschaften, unsere Familien, unseren Freundeskreis und unsere soziale Gruppe selbst auf.
4.
Wenn wir unser Leben unter dem Aspekt des Schiffes sehen, dann wissen wir, dass es unsere Aufgabe ist, Verbindungen herzustellen zwischen Orten und Wesen, die sich sonst niemals begegnet wären.
Der Apostel Paulus bringt diesen Aspekt auf den Punkt im 2.Korinther 5,18: "...Gott hat uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt!"
Das Schiff bringt das Getrennte zusammen. Es macht das Unbekannte miteinander bekannt. Das Meer kennt keine Zäune und Grenzen. Man kann keinen Kreidestrich auf die Wellen malen und behaupten, diesseits wären alle die Guten und jenseits alle die Schlechten.
Zusammenbringen ist unsere Lebensaufgabe. Niemals darf Wahrheit wichtiger werden als Menschen. Wahrheit ist eine der mächtigsten Hilfe für das Leben der Menschen. Niemals aber darf das Leben einer Wahrheit unterworfen werden. Karl Jaspers hat das so formuliert:
„Wahrheit ist nicht, sondern sie geschieht.“
Sie geschieht in der Übereinkunft der Menschen untereinander, fügen wir hinzu.
Menschen sind immer viel wichtiger als Wahrheiten.
Ein paar hilfreiche Andeutungen aus einem Seemannsleben (auch: Fischerleben) müssen in dieser Trauerfeier genügen. Alles das schwingt mit, wenn wir den Verstorbenen und seine Herkunft aus der Fischerei und seine Liebe zum Wasser näher betrachten.
(Es folgt der Lebenslauf des Verstorbenen mit den biografischen Daten (dem Gedächtnis) gemischt mit den Erinnerungen (den subjektiven Einfärbungen).
Abschied
Wir haben an Hand der Bibel ein Lebensmodell erarbeitet, welches durchaus für den Verstorbenen Gültigkeit hat. Aber ebenso kann es für uns wegweisend sein.
Wir haben dieses Lebensmodell in dem Leben des Verstorbenen nachgespürt und seine konkrete Umsetzbarkeit gesehen.
Jetzt heißt es konkret Abschied nehmen von dem konkreten Leben und gleichzeitig innerlich Ja sagen dazu, dass wir als Lebende dieses gute Lebensmodell weiterführen an seiner Statt.
Jetzt müssen wir eine Entscheidung treffen und in diesen Wechsel innerlich einwilligen.
Die gebräuchliche universale Formel in den Trauerfeiern heißt dazu so oder ähnlich:
Wir sind nun aufgefordert unseren Frieden mit dem Leben und Tod des Verstorbenen zu machen.
Eine Alternative dazu gibt es nicht.
Während wir das bei uns selbst entscheiden, werde ich dem Verstorbenen ein letztes Vaterunser widmen. Ich benutze dazu den Text aus dem Matthäusevangelium:
Unser Vater in dem Himmel.
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe auf Erden
wie im Himmel.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schulden
wie wir unseren Schuldigern vergeben.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Übel;
denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, amen.
Nachdem wir unseren letzten gemeinsamen Weg mit dem Verstorbenen gegangen sind, betten wir nun
NN, geboren am XXX und gestorben am XXX zu seiner letzten Ruhe.
Wir wollen nicht klagen, weil wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir ihn - unter uns hatten.
Wir wollen ihn nun mit Blumen und Erde zudecken, damit niemand seine Ruhe stört.
Ruhe in Frieden
© Uwe Peters