Hoffnung

Gespeichert von admin am Do., 01.10.2015 - 01:55

Liebe Frau NN,

liebe Angehörigen und Freunde

der Verstorbenen NN

Wir sind hier zusammen gekommen um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen und seiner noch einmal gemeinsam würdigend zu gedenken.

In Trauerfeiern wird viel von Hoffnung gesprochen. Heute möchte ich das auch tun.

Dabei bin ich mir natürlich bewusst, dass das Thema Hoffnung speziell im Zusammenhang mit Sterben und Tod das meist strapazierte Thema überhaupt ist.

Gibt es nicht im Gefolge der bahnbrechenden Arbeiten des Philosophen Ernst Bloch mit seinem Buch: Das Prinzip Hoffnung (1954 –1959) und des Theologen Jürgen Moltmann mit seinem Werk: Theologie der Hoffnung (1964) eine Unzahl von Lebenshilfen, die uns in allen Variationen das Thema Hoffnung anbieten?

Signalisiert dieses überreiche Angebot nicht auch eine heftige Nachfrage; denn sonst würden diese Angebote doch gar nicht gemacht?

Die Nachfrage rührt her von allen jenen Menschen, die sich in ihrer Lebensbewältigung – besonders in Krisensituationen - auf sich selbst gestellt fühlen.

Jene Menschen, die das Erwachsensein ernst nehmen und die Verantwortung für ihr Leben akzeptiert haben?

Der Verlust von Traditionen, Konventionen und Religionen, welche das frühere Leben bis in den Alltag hinein geregelt haben und die Menschen im Stadium kindlicher Abhängigkeit gehalten haben, macht sich deutlich bemerkbar in der Suche nach Gründen für die Hoffnung.

Die Möglichkeiten dieser kollektiver Hoffnungen, welche aus den kindlichen Abhängigkeiten erwuchsen, sind in den Feuern der Weltkriege für immer verbrannt.

Und das ist gut so; denn wenn die Grundausstattung des menschlichen Lebens: Glauben, Hoffnung und Liebe, zu einem allgemeinen Programm wird, dann wird die lebenserhaltende Kraft der Hoffnung zunächst verwässert und schließlich auch vernichtet. Hoffnung ist immer und ausschließlich eine ganz individuelle, also eine persönliche Angelegenheit.

Wo finde ich jedoch die Hoffnung individuell für mich?

  • Zunächst: Hoffnung hat eine existentielle Qualität. Man kann sie weder lehren noch lernen.

Diese individuelle existentielle Qualität der Hoffnung wird in unserem Sprachgebrauch sehr schön deutlich: Wir sagen schon mal: „Es gibt für ihn/sie keine Hoffnung mehr.“ Das bedeutete im Klartext: Dieser einzelne und individuelle Mensch wird sterben.

Hoffnung und Leben sind voneinander nicht zu trennen. Leben kann nur existieren, wenn Hoffnung da ist. Hoffnung ist wie das eigene Leben, deshalb ausschließlich eine individuelle Qualität. Hoffnung ist das Leben und das Leben ist Hoffnung.

  • Sodann: Hoffnung ist vorweggenommenes Leben über die Gegenwart hinaus, also für den kommenden Augenblick, der noch nicht eingetreten ist.

Die Erinnerung mit ihrem Schwerpunkt: Liebe ist unser Leben in der Vergangenheit und die Prägung daraus. Der Glaube ist unser Lebensvollzug in der Gegenwart und die Begründung für die Metamorphose, die sich in der Gegenwart vollzieht und die Hoffnung ist unser Leben über den gegenwärtigen Augenblick hinaus.

Die Gegenwart ist zugleich immer die Metamorphose  der  Vergangenheit   (Verwandlung, Umgestaltung, Umwandlung, usw.) in die Zukunft hinein.

Es ist die ständig neue Aufgabe, welche uns die Gegenwart stellt, dass wir die Vergangenheit so bearbeiten und damit auch verändern, dass sie zukunftsfähig wird. Für die Zukunft brauchen wir die Vergangenheit. Ohne Vergangenheit kann es keine Zukunft geben.

  • Und schließlich schöpft die Hoffnung ihre Begründung aus der Vergangenheit.

Weil die Zukunft erst eintritt, also noch nicht eingetreten ist, bedarf sie einer Begründung. Das Bauwerk der Zukunft braucht ein Fundament, wenn es kein Luftschloss werden soll.

Deshalb braucht Hoffnung eine Begründung. Diese Grundlage oder Begründung, also den Grund für Hoffnung, liefert die Vergangenheit.

Der Blick zurück – also die Erinnerung – zeigt als geschehene Wirklichkeit, als unumstößliches Faktum, dass das Leben auch trotz schwerster Krisen sich im Leben des Verstorbenen immer positiv und lösungsorientiert durchgesetzt hat.

Ihre Vergangenheit mit dem Verstorbenen ist auch deshalb der Grundstein für Ihre Zukunft. Das Leben in der Zukunft und für die Zukunft nennen wir Hoffnung.

Als ich das Leben des Verstorbenen am Schreibtisch durchdachte mit den Informationen, die ich von Ihnen bekommen habe, leuchtete die Überschrift: „Hoffnung“ durch sein ganzes Leben.

Diese Hoffnung strahlte in seine Umgebung und in die Gesellschaft zurück. Auch wenn die Hoffnung die Zukunft des Individuums ist, sie strahlt in die Gemeinschaft hinein und nimmt sie mit in ein gutes Morgen.

Dieses Leben der Hoffnung, am Beispiel des Verstorbenen, wollen wir nun genauer betrachten...

(Es folgt der Lebenslauf des Verstorbenen mit den biografischen Daten (dem Gedächtnis) gemischt mit den Erinnerungen (den subjektiven Einfärbungen).

Abschied

Wir haben gemeinsam darüber nachgedacht, was in dieser Abschiedssituation aus der Vergangenheit in die Zukunft hinein leuchtet und uns als Lebensgrundlage der Hoffnung dient.

Wir haben diese Hoffnung aus dem Leben des Verstorbenen begründet.

Jetzt steht die Entscheidung an, es auch so zu tun. Der Unterschied zwischen Reden und Tun liegt im Tun.

Die gebräuchliche universale Formel in den Trauerfeiern – die uns zum Handeln auffordert - heißt dazu so oder ähnlich:

Wir sind nun aufgefordert unseren Frieden mit dem Leben und Tod des Verstorbenen zu machen.

Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Während Sie das bei sich selbst bedenken und beschließen, werde ich dem Verstorbenen einen Text aus den Gedichten von Katrin Wypior (08.10.1997, 16 Jahre alt)  widmen:

Time to say goodbye

Es ist erloschen, das Feuer,
das Feuer des Lebens,
das Feuer des Glücks,
das Feuer der Liebe,
das Feuer aller Trauer

Es ist ausgebrannt, ein Feuer,
ein Feuer in unseren Herzen,
ein Feuer in der Welt,
ein Feuer zwischen Freunden,
ein Feuer, das uns gewärmt hat.

Übrig bleibt nur ein Funke,
der Funke der Liebe zu uns und von uns,
der Funke, der nie erlöschen kann,
der Funke, der voller Hoffnung glüht,
der Funke, der Dich uns immer erhalten wird.

Wir nehmen Abschied von jemanden,
von jemanden,
der ein Stück unserer Vergangenheit ist,
von jemanden,
der uns beim Erbauen unserer Welt geholfen hat,
von jemanden,
der an uns geglaubt hat,
von jemanden,
der immer ein Teil von uns bleiben wird.

Nachdem wir unseren letzten gemeinsamen Weg mit dem Verstorbenen gegangen sind, betten wir nun

NN, geboren am XXX und gestorben am XXX zu seiner letzten Ruhe.

Wir wollen nicht klagen, weil wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir ihn unter uns hatten.

Wir wollen ihn nun mit Blumen und Erde zudecken, damit niemand seine Ruhe stört.

Ruhe in Frieden

© Uwe Peters

Trauerreden