Die Sonne deines Lebens

Gespeichert von admin am Do., 01.10.2015 - 00:45

Liebe Frau NN,

liebe Angehörigen und Freunde

der Verstorbenen NN

Immer wieder werden wir aufgerufen Abschied zu nehmen.

Nichts ist so gewiss wie der Wechsel und der Wandel, sagt ein Sprichwort.

Wenn ein Mensch durch den Tod dorthin zurück geht, von wo er vor seiner Geburt gekommen ist, kann der Wechsel nicht radikaler sein.

Darüber müssen wir nachdenken. Wir müssen Bestandsaufnahme machen über das, was nun für immer weg ist und über das, was bleibt.

Möglicherweise wird dieses Thema klarer durch ein Bild. Ein Mensch, der seine über alles geliebte Frau durch Tod verlor, schrieb:

„Wenn die Sonne deines Lebens für immer untergegangen ist, kannst du dich im Winter deiner Einsamkeit an jenem Feuer wärmen, das durch das Holz deiner Erinnerungen, welches die Sonne hat wachsen lassen, in dir dauerhaft brennt.

Vergiss es nicht, du musst nachlegen.“

Uwe Peters, 25.01.2005

In den allermeisten Trauerfällen war der verstorbene Mensch in der Erinnerung der Hinterbliebenen die große Sonne ihres Lebens, die nun plötzlich durch den Tod für immer untergegangen war.

Ein uralter Film: „Cabarett“ mit Liza Minelli spielt im Berlin der Anfang 30er Jahre. Eine Szene ist besonders schön: Der Sänger auf der Bühne besingt die Schönheit seiner Freundin. Er schildert ihre Eigenschaften: sie ist so groß, so stark, so weich und sanft, sie hat tiefe dunkle Augen und so weiche Lippen, sie ist so gemütvoll und kuschelig...

Immer wieder zeigt er auf sie und fragt die rhetorische Frage: „Ist sie nicht wunderbar, Ihr müsst sie mit meinen Augen sehen?!“

- Das ist ein gewaltiger geistiger und kultureller Entwicklungsschritt, dass Menschen den Mut finden, den anderen mit den „eigenen Augen zu sehen.“

- Die Religionen wollen den anderen mit den Augen Gottes sehen. Dann muss es eine Auferstehung geben und am Ende muss es das Endgericht Gottes am Jüngsten Tag geben. Dann muss es eine Wertung geben, ob der verstorbene Mensch gut oder weniger gut war.

- Ebenso geht es vielen anderen Menschen, welche den verstorbenen Menschen mit den Augen einer angenommenen Allgemeinheit sehen wollen. Dann kommen solche Formulierungen: Nur für die Familie da, überall beliebt, sehr arbeitsam und einfach ein guter Mensch.

- Wir wollen den Verstorbenen mit unseren Augen sehen. -

Dann schwenkt die Kamera auf dieses bewunderte und bezaubernde Wesen und zeigt ein - Gorillaweibchen. Ist sie nicht wunderbar? Ihr müsst sie mit meinen Augen sehen!

Genauso wie unsere Sonne. Unsere Wissenschaftler haben herausgefunden, dass unsere Sonne die allerbeste Sonne für unsere Erde ist. Es soll Millionen anderer Sonnen im Weltall geben, aber nur unsere Sonne hat uns gewärmt und alles um uns herum zum Wachsen, Blühen und schließlich zur Frucht reifen lassen.

Inzwischen bewundere ich die Hinterbliebenen, die ganz stolz und mutig behaupten, unser Verstorbener war der beste Mensch der Welt.

Unsere Sonne ist die allerbeste für uns. N.N. war die Sonne Ihres Lebens.

Aber was machen wir im Winter?

Unser Text rät uns, dass wir dann das Holz der Erinnerung zusammentragen und durch unsere Liebe zu dem verstorbenen Menschen anzünden. Die Sonne hat im Sommer unseres Lebens unendlich viel Holz wachsen lassen. Wir haben viel mehr Erinnerungen, als wir im Winter unserer Einsamkeit überhaupt verarbeiten und verheizen können.

Wir müssen es jedoch aufbereiten, d.h. wir müssen es ofenfertig machen. Wir müssen es noch einmal hervorholen, klein sägen, spalten und in ofenfertige Portionen herrichten um es dann mit dem Feuer der Liebe anzuzünden.

Das erfordert Mühe und Arbeit. Aber darin liegt unsere Chance. Sie müssen in Zukunft nicht frieren, weil die Sonne Ihres Lebens, N.N. verstorben ist.

Den Lauf der Sonne können wir nicht beeinflussen, Ihre Sonne ist für Sie untergegangen, aber das Feuer der Sonne können wir dennoch brennend erhalten. Dazu müssen wir nur ein wenig Obacht geben, dass das Feuer niemals ausgeht. Das liegt in unserer Hand.

Wenn wir oberflächlich und träge sind, geht es bald aus. Wenn wir jedoch immer neues Holz nachlegen, können wir das wärmende Feuer lebendig erhalten. Die Sonne unseres Lebens hat mächtige Holzvorräte wachsen lassen.

Ob uns dieses Feuer wärmt, liegt deshalb ganz in unserer Hand. Niemand, kein Tod, kein Schicksal, keine fremden Mächte und Umstände können dieses Feuer auslöschen.

Jetzt möchte ich mit Ihnen einen Überblick wagen, über das, was alles in der Erinnerung geblieben ist.

(Es folgt der Lebenslauf des Verstorbenen mit den biografischen Daten (dem Gedächtnis) gemischt mit den Erinnerungen (den subjektiven Einfärbungen).

Abschied

Wir haben über die Sonne Ihres Lebens nachgedacht und Ihren vielleicht noch keimenden Mut unterstützt, über die beste Sonne Ihres Lebens nachzudenken.

Wir haben davon gesprochen, dass Ihre Sonne in Ihnen immer noch lebt und wirkt.

Jetzt müssen wir eine Entscheidung treffen, in diesen Wechsel innerlich einwilligen.

Die gebräuchliche universale Formel in den Trauerfeiern heißt dazu so oder ähnlich:

Wir sind nun aufgefordert unseren Frieden mit dem Leben und Tod des Verstorbenen zu machen.

Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Während Sie das bei sich selbst bedenken und beschließen, werde ich dem Verstorbenen einen Text aus den Gedichten von Erich Fried widmen:

Eifriger Trost

Meine Sonne
Ist scheinen gegangen

In deinen Himmel

Mir bleibt
der Mond
den ruf ich
aus allen Wolken

Er will mich trösten
Sein Licht
sei wärmer
und heller

Nicht gelb
verfärbt
dass man nur noch denkt
ans Erkalten

Sonne komm wieder!
der Mond ist
zu hell und
zu heiß für mich!

Nachdem wir unseren letzten gemeinsamen Weg mit dem Verstorbenen gegangen sind, betten wir nun

NN, geboren am XXX und gestorben am XXX zu seiner letzten Ruhe.

Wir wollen nicht klagen, weil wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir ihn - unter uns hatten.

Wir wollen ihn nun mit Blumen und Erde zudecken, damit niemand seine Ruhe stört.

Ruhe in Frieden

© Uwe Peters

Trauerreden