Mach das Beste draus

Gespeichert von admin am Do., 01.10.2015 - 01:27

Liebe Frau NN,
liebe Angehörigen und Freunde
der Verstorbenen NN

Wir sind hier zusammen gekommen um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen und seiner noch einmal gemeinsam würdigend zu gedenken.

Solch ein Satz der Orientierung ist vorweg sehr wichtig, weil die Aufgaben einer Trauerfeier z.B. in den verschiedenen Religionen ganz anders gesehen werden.

Diese, meine Einleitung ist keine Formel, die man so sagt, sondern im konkreten Fall wird sehr deutlich, dass wir hier keinen Gottesdienst durchführen und auch keine Seele zu Gott geleiten, sondern dass wir hier Abschied nehmen und den Verstorbenen würdigen wollen.

Wenn ein Mensch gestorben ist, ist das ja kein alltägliches Ereignis. Weil das so ist, wissen wir oft auch nicht so recht, wie wir damit umgehen sollen.

Wie geht man mit dem Tod um? Wie verhält man sich in solcher Situation?

Früher war das alles ganz einfach. Alles war festgelegt. Aber heute, wo jeder etwas anderes will und jeder eine andere Meinung zu der ganzen Sache hat? Kann es heute noch so etwas wie eine allgemeine und verbindliche Leitlinie oder Leitidee geben?

Ich meine: Ja!

Als moderne Menschen – eingebettet in diesen historisch einmaligen Prozess des „anything goes“, wie es der Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend erarbeitet hat - wissen wir, wir können auf nichts zurückgreifen, als auf uns selbst.

Und dabei wird von uns immer nur das Eine gefordert:
Mach das Beste draus!

Ist das trivial oder lohnt es sich darüber nachzudenken?

Ich denke, diese Aufgabe ist viel umfangreicher; als das wir sie mit einem Alltagsschlagwort erledigen könnten, denn sie betrifft unsere ganze Lebensexistenz, also auch diesen völlig unverständlichen und unsinnigen Tod, den wir hier zu bearbeiten haben.

Der große jüdisch Naturwissenschaftler und Philosoph Jeshajahu Leibowitz – er selbst hat seinen Sohn Uri durch den Tod verloren – formuliert den Sachverhalt sehr genau so:
„Ich finde mich damit ab, dass die Welt eben ihren natürlichen Lauf nimmt. Ich sage das nicht als Philosoph. Aber ich lebe in der Welt, die nach ihren eigenen Gesetzen abläuft. Das ist das Leben!

Wenn man das nicht will, dann muss man sich umbringen. Wenn man damit nicht einverstanden ist, in dieser schrecklichen Welt zu leben – dann kann man sich auch das Leben nehmen.“
(Gespräche über Gott und die Welt, ISBN 3-458-33268-5)

Daraus ergibt sich zwingend – wenn wir uns nicht umbringen wollen – dass wir „in dieser schrecklichen Welt“ täglich vor der immer gleichen Aufgabe stehen:
Mach das Beste draus!

Sicher erscheint uns das oftmals wie die Strafe des Sisyphus, der immer wieder den Felsen auf die Spitze des Berges hinaufbringen musste um oben zu erfahren, dass er sofort wieder herunter fällt.

Aber welche Alternative hatte er? Welche Alternative haben wir?

Der Alltag und die Allnacht unseres Lebens können nur sinnvoll funktionieren, wenn es uns gelingt, aus ihnen immer wieder
das Beste zu machen.

Das heißt doch:
Mach nicht irgendetwas daraus, lass die Dinge nicht einfach so treiben, entschuldige Dich nicht dauernd, dass Du etwas nicht kannst, nicht gewusst hast, oder dass Du keine Chancen hast, sondern mach das Beste daraus, hier und jetzt, aus Deiner Situation.

Die alten Chinesen am anderen Ende der Welt haben das genau so gesehen, wenn sie den Spruch aufgestellt haben: „Es ist besser eine Kerze anzuzünden, als das Dunkel zu fürchten!“

Das Beste muss an jedem Tag unser Ziel sein. Auch wenn am Ende der Tod steht.

Es ist schon erstaunlich, dass der Begründer des Christentum – der Apostel Paulus – zu den gleichen Erkenntnissen kommt; denn die Wahrheiten der Bibel sind in Wirklichkeit die gleichen Wahrheiten, welche auch z.B. in China bekannt sind.

In Philipper 1, 9 - 10 heißt es:
„Und darum bete ich, dass eure Liebe je mehr und mehr reich werde in allerlei Erkenntnis und Erfahrung,
dass ihr prüfen möget, was das Beste sei, auf dass ihr seid lauter und unanstößig auf den Tag Christi,...“

Das heißt doch, das Paulus hier den Menschen in Philippi dieselbe goldene Regel schreibt, die mit unserem Thema völlig übereinstimmt:
Mach das Beste draus!

Es ist schon sehr merkwürdig, dass Paulus seine Leser auffordert, "zu prüfen, was das Beste sei..." Und ihnen nicht versichert, dass wenn sie die Gebote halten oder ein christliches Bekenntnis ablegen, dann wären sie "unanstößig auf den Tag Christi..."

Wir können deshalb diesen Satz als das ganz große Überlebensgebot für uns sehen, in dem alles das zusammengefasst ist, was unser Leben lebenswert macht, wenn wir diesen Satz erfüllen.

Mach das Beste draus, aus dieser Verlustsituation und diesem Tod. Kann man das überhaupt? Kann man aus dem Tod und Verlust eines lieben Menschen das Beste machen? Ist das überhaupt statthaft? Wenn ja, wie geht das?

  • Indem Sie darüber nachdenken und sich so an ihn erinnern.

In einem jüdischen Gebet heißt es:

Beim Aufgang der Sonne erinnern wir uns an sie.
Beim Regen und Wind erinnern wir uns an sie.
Beim Sonnenuntergang erinnern wir uns an sie.
Bei unserer Arbeit und bei unserer Freizeit erinnern wir uns an sie.
So lange wir leben erinnern wir uns an sie.
 

Diese „sie“ sind die Verstorbenen. In diesem Gebet wird deutlich, was es heißt, einen Menschen zu würdigen. Man muss sich an ihn erinnern, über ihn sprechen und ihm so sein Weiterleben in unseren Köpfen und Herzen ermöglichen.

  • Indem Sie darüber nachdenken, dass er bei allen seinen Schwächen und Stärken Ihnen vieles beigebracht hat, was Sie heute noch anwenden und verwerten. Er hat Sie geprägt und Sie haben ihn geprägt.
  • Indem sie sich sein Leben genau ansehen und das daraus heraussuchen, was in seinem Leben geklappt hat und was Sie deshalb übernehmen können. Und da gibt es eine ganze Menge.

Auf diese Weise setzen Sie das Leben des Verstorbene in sich fort.

So macht man auch aus dem Tod eines Menschen das Beste draus, indem man den Verstorbenen ganz fest zu einem lebendigen Bestandteil des eigenen Lebens macht. Das geht nicht ohne Erinnerung. Das geht nicht ohne das erinnernde Gespräch. Nur so gelingt der Abschied.

(Es folgt der Lebenslauf des Verstorbenen mit den biografischen Daten (dem Gedächtnis) gemischt mit den Erinnerungen (den subjektiven Einfärbungen).

Abschied

Wir haben darüber nachgedacht, wie man selbst aus dem Tod eines lieben Menschen noch das Beste machen kann. Und wir haben festgestellt, dass der Auftrag des Lebens an uns in jeder Situation der gleiche ist: Mach das Beste draus!

Wir haben genau das miteinander getan. Wir haben uns erinnert.

Jetzt setzen wir dieses unser „richtiges Tun“ fort, in dem wir Abschied nehmen.

Die gebräuchliche universale Formel in den Trauerfeiern heißt dazu so oder ähnlich:
Wir sind nun aufgefordert unseren Frieden mit dem Leben und Tod des Verstorbenen zu machen.

Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Während Sie das bei sich selbst bedenken und beschließen, werde ich mich zum Sprecher des Verstorbenen machen:

Der Wunsch der Toten

Gebt Euren Toten Heimrecht,
ihr Lebenden,
dass wir unter euch weilen
in dunklen und hellen Stunden.

Weint uns nicht nach,
dass jeder Freund sich schämen muss
von uns zu reden.
Macht,
dass die Freunde ein Herz fassen,
von uns zu plaudern und zu lachen.

Gebt uns Heimrecht,
wie wir es im Leben genossen haben.

Nachdem wir unseren letzten gemeinsamen Weg mit dem Verstorbenen gegangen sind, betten wir nun

NN, geboren am XXX und gestorben am XXX zu seiner letzten Ruhe.

Wir wollen nicht klagen, weil wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein dafür, dass wir ihn unter uns hatten.

Wir wollen ihn nun mit Blumen und Erde zudecken, damit niemand seine Ruhe stört.

Ruhe in Frieden

© Uwe Peters

Trauerreden